DIE GROßE REIFENFRAGE.

Haben wir zu wenig Reifen, Herr Marxrieser?
Wo geht die Reise hin?

Gibt es Reifenmangel? Oder doch nicht? Ein Gespräch mit Thomas Marxrieser.

Es mangelt an allen möglichen Materialien, wie man weiß. Auch an Reifen, wie man so hört.

Im Moment sieht es vielleicht noch so aus. Aber ich rechne noch vor dem Herbst mit dem Gegenteil. Wir werden eine Überkapazität haben, Sonderdimensionen ausgenommen.

Das ist eine doch überraschende Einschätzung.

Wir bei Marxrieser beobachten den Markt sehr genau. Und was wir sehen, ist, dass in den letzten beiden Jahren ein bisschen weniger Auto gefahren wurde. Die Leute sparen. Die Reifen halten dadurch ein wenig länger. Zugleich ist nicht erkennbar, dass die Industrie den Ausstoß gesenkt hätte. Wir denken daher, dass sehr bald mehr lieferbar ist als wir brauchen können.

Das hieße ja dann, dass es günstiger wird statt teurer. Wir sind ja derzeit mit irren Teuerungen an allen Ecken und Enden konfrontiert.

Die Teuerungen haben nicht die Händler gemacht. Es ist ein kompliziertes Spiel. Lassen Sie mich einen Blick hinter die Kulissen geben. Viele Reifenhersteller schauen, dass sie für irgendein Fahrzeugmodell als Originalequipment editiert werden. Wenn jetzt aber weniger Neuwagen produziert werden, und die zugehörigen Reifen bereits vorhanden sind, dann bleiben die nicht beim Hersteller im Lager. Die sind da rigoros und sagen: die brauchen wir nicht mehr. Die wurden für Chargen produziert, die wir nicht gebaut haben. Behaltet die bitte und schickt uns für die 2023er Modelle frische Reifen.

Das sind ja ganz neue Reifen, die da sozusagen übrigbleiben.

Genau. Und die Reifenhersteller nehmen sie zurück und liefern „frische“. Jetzt produziert die Reifenindustrie frische Reifen und die Großhändler haben ohnehin die Lager voll. Zugleich dürfen wir die ganze Containerware aus dem asiatischen Raum nicht vergessen. Die konnte bisher nicht gekauft werden, weil der Containerpreis so hoch waren. Jetzt stabilisieren sich die Containerpreise gerade. Da kommt also auch von dieser Seite ein Angebot auf den Markt. Ich sehe es kommen, dass irgendwo an einem Eck des Systems jemand anfangen wird, die Reifen zu verbilligen. Wir haben ein verstecktes Überangebot am Markt. Das ist noch nicht sichtbar, aber das Spiel beginnt bald.

Also keine Teuerungen, sondern Vergünstigung?

Garantieren kann ich das nicht, aber wir rechnen so fix damit, dass wir derzeit unsere eigenen Lager nicht angefüllt haben. Würden wir jetzt Winterreifen für die nächste kalte Jahreszeit einlagern, dann könnten wir nur auf dem jetzigen hohen Preisniveau an unsere Kunden weiterverkaufen. Aber ich glaube an die Preisreduktion. Und wir werden sie an unsere Kunden weitergeben. Dazu sind wir schließlich da, dass wir vorausschauend für unsere Kunden planen.

Haben Sie da schon mit Ihrem Reifenlieferanten gesprochen?

Wir sprechen nicht mit „einem“ Lieferanten. Wir sind ein kleines Unternehmen, aber deswegen sind wir so flexibel und haben uns immer die Türen zu Zentraleuropa offengehalten. Unser Anspruch ist nicht, der billigste Anbieter zu sein, aber möglicherweise werden wir schon im Winter attraktivere Preise für Reifen machen können.